ejagfest 2015

Das ejagfest ist einer der wichtigsten Termine im Atari-Kalender, 2015 fand es in Kleinenbroich nahe Mönchengladbach statt. Mit schwerem Gepäck ging es in die nordrhein-westfälische Provinz und etwas leichter wieder zurück.

Das Gepäck bestand aus einem Jaguar, Lynx II, Notebook und der FireBee. Letztere ging zurück an ihren Besitzer (Johannes Hädrich von atari-home, danke für die Leihgabe!). Am ST-Computer-Tisch konnten Besucher das beste Jaguar-Prügelspiel, Ultra Vortek, spielen, auf dem Lynx lief Alpine Games. Glücklicherweise stellten die Veranstalter des ejagfests auf Anfrage Fernseher zur Verfügung. Wer mit dem Auto da war und noch Bedarf an einem Röhrenfernseher hatte, konnte sogar einen mitnehmen. Natürlich lagen auch diverse Ausgaben der ST-Computer aus.

ejagfest panorama

Die Veranstaltung fand in einem großen Raum und dem Flur statt. Bei den Ausstellern gab es wie üblich eine Mischung aus Entwicklern, Retro-Fans und -Sammlern und einigen Händlern. Besondere Aufmerksamkeit zog der Stand von Marco Willig alias „McWill“ auf sich. Willig bietet einen VGA-Mod für Lynx I, II und Game Gear an, optional auch mit VGA-Schnittstelle zum Anschluss an einen Monitor. Umgebaute Geräte konnten auf dem ejagfest Probe gespielt werden, mehrere Lynx-Konsolen wurden bei ihm abgegeben. Der Umbau erfolgt schnell und der Lynx II macht danach einen neuwertigen Eindruck. Einziger optischer Makel: Die durch das kontrastarme Display bedingte unfreiwillige Kantenglättung entfällt beim scharfen VGA-Display natürlich komplett. Auf native VGA-Auflösung skaliert und mit deutlich schärferer Darstellung fällt erst auf, wie pixelig die alten Spiele doch waren. Im Internet fordern schon Besitzer eines Nomad, Turbo Express und Neo Geo Pocket einen VGA-Umbau für ihre Geräte.

Museumsreif

Vermutlich dürften die meisten aktiven Lynx-Spieler ihre Konsole früher oder später umrüsten lassen. Für die Sammlung wird dann eben noch ein zweites Lynx ohne VGA-Mod für die Vitrine angeschafft.

Old Atari consoles

Mutmaßlich unbehandelte Museumsstücke gab es auf dem ejagfest in der Retro-Ecke zu bewundern: Video Pinball, Atari 2600 in mehreren Varianten, Ultra Pong, Pong, Super Pong, Super Pong Ten, TouchMe, Lynx I und II, Stunt Cycle, Portfolio, Atari 5200, 7800 und, quasi als Exot in der Ausstellung, eine Atari Stacy. Vermutlich hätte der Raum alleine mit diesen Konsolen und Computern gefüllt werden können, wäre jedes an ein Fernsehgerät angeschlossen gewesen. Zum Probe spielen lud dafür eine kleine Sammlung exotischer japanischer Hardware beim Team von Videospielarchiv.de ein. Sharps Twin Famicom, eine lizensierte Variante des Nintendo Famicom (hier: NES) mit integriertem Diskettenlaufwerk, und die Family-Computer-Tastatur dürften vielen Nintendo-Fans ein Begriff sein, an den Tomy Tutor, einen Computer aus dem Jahr 1982, der wie der TI-99/4A eine 16-Bit-CPU verwendete, weniger.

Noch exotischer war Gakkens Compact Vision TV-Boy mit einem T-förmigen Controller und einer Start-Taste, die in einer Art Haltegriff integriert war. Nur eine Handvoll Spiele sind für das System erschienen, Gakken ist aber bis heute aktiv: Die Firma ist in in Japan für ihre „Otona no Kagaku“-Reihe bekannt, in der schon ein 4-Bit-Mikrocomputer, ein Theremin und eine E-Gitarre inklusive Verstärker erschienen sind. Fast schon konventionell wirkte dagegen Epochs Cassette Vision, mit je zwei fest in die Konsole integrierten Drehreglern pro Spieler.

Gakken console

Ein Millionenerfolg waren hingegen die Pong-Klonkonsolen von Nintendo, die ausschließlich in Japan verkauft wurden. „Block Kuzuishi“ von 1979 ist nichts anderes als Breakout.

Weitere Exoten an anderen Tischen: Die nur in Nordamerika und Australien erschienene überarbeitete Version des NES, dass Model 101 („Toploader“), Panasonics 3DO und ein NUON-DVD-Player von Samsung, mit fünf Spielen.

Mainstream-Konsole

Zurück zum Mainstream, und der bestand auf dem ejagfest (und nur auf dem ejagfest) aus dem Jaguar inklusive CD-Aufsatz. Wer hier auffallen will, muss also etwas mehr auffahren: Ein ProPad mit sechs Buttons ist ein guter Anfang, auch ein Battlesphere taugt immer als Eyecatcher. Sogar die Modulversion von „Alice’s Mom’s Rescue“, erst kurz vor dem ejagfest erschienen, steckte in mindestens einem Jaguar. Das Modul ist bereits ausverkauft, wer noch das Glück hatte, eines zu bekommen, konnte es sich am Stand von Nick Harlow (16/32 Bit Systems) abholen.

Wie kann der Jaguar noch auffallen? Mit einem anderen Gehäuse: Wie beim ejagfest 2014 gab es auch dieses Jahr den Jaguar in Dental-Weiß und als GTI Edition – die Anleitung zum Jaguar „Wolfsburg Edition“ erschien in der ST-Computer 11/2002.

Transluscent Jaguar
Transparenter Jaguar

In mehreren Konsolen steckte das Skunkboard mit wechselnden Spielen, unter anderem der gelungenen Portierung des ST-Klassikers „International Karate+“.

In der Vitrine steckte ein Jaguar im transparenten Gehäuse. Mike Kennedy hatte die Jaguar-Gußformen erworben und verkaufte transparente Konsolen- und Modulgehäuse, die inzwischen an einige Jaguar-Fans ausgeliefert wurden. Inzwischen wurden die Formen an den AtariAge-Betreiber verkauft.

Ein Einzelstück bleibt hingegen der „Jag in a Mac“, ein Jaguar mit Bildschirm in einem schwarz lackiertem Würfelmac-Gehäuse. Auf diesem Jaguar lief ein neues Spiel, welches auf dem ejagfest Weltpremiere feierte.

Weltpremieren

Jaguar in a Mac case

„Arne – Jäger des Jags“ war eines von mehreren neuen Spielen, die auf dem ejagfest gezeigt wurden. Entwickler „Der Luchs“ programmiert seit letztem Jahr auch für die Raubkatze, nachdem seine bisherigen Spiele für die Vectrex veröffentlicht wurden. Ausweichmanöver, Absorbierer und Arne bewegen sich optisch irgendwo zwischen VC20, ZX Spectrum und C64, sind aber gut spielbar und vor allem fertig: An Demos, Ankündigungen und ST-Portierungen herrscht bekanntlich kein Mangel, da ist jedes fertiggestellte Jaguar-Spiel schon eine gute Nachricht. Die drei Spiele sind Teil der „8-Bit Collection“, Luchs „droht“ mit weiteren Titeln. Neben seinen Homebrew-Spielen verkaufte er auch seine erste Audio-CD, „Vectrax“.

Thomas Ilg ist Lesern der ST-Computer bereits bekannt, auf seiner „Anarcho Racer“-Europatournee machte er auch in Kleinenbroich Halt. Der Anarcho Racer ignoriert sämtliche Verkehrsregeln und räumt per Bordkanone oder durch Rammen auf. Das Spiel ist mittlerweile derart gewachsen, dass mehrere Erweiterungs-Disks entstanden sind. Eine Version in der Schachtel schließt Ilg aufgrund der Größe des Spiels derzeit aus. Anarcho Racer läuft auf allen Original-Ataris ab dem STE, der aber mit mindestens 16 MHz getaktet sein sollte.

Nach mehreren Runden Anarcho Racer wäre es unverantwortlich, sich ohne Prüfung wieder an das echte Steuer zu setzen. P.I.T.S. war ein Trainingssystem für die deutsche Führerscheinprüfung und wurde damals im Auftrag des DVPI von Bastian Schick und Lars Baumstark geschrieben. Ein komplettes P.I.T.S.-Set, bestehend aus einem transparentem Koffer, dem Modul, einem Lynx, Netzteil und Anleitung ist selten und bekam daher beim ejagfest einen Platz in der Vitrine.

Der glückliche Besitzer des Koffers, Christoph Podlech, hatte noch eine weitere Rarität im Gepäck: den Amstrad Mega PC, einen PC mit eingebautem Mega Drive mit Genehmigung von Sega. Letzteres wurde auf einer ISA-Karte untergebracht und konnte nicht gleichzeitig mit dem PC genutzt werden. Das System erschien 1993 und war ein Flop – die PC-Hardware mit einer 386SX CPU war veraltet und die Mega-Drive-Karte führte zu einem höheren Preis im Vergleich zu anderen PC-Klonen.

Game Gear with new display
Game Gear und Lynx mit neuem Bildschirm

Sonic!

Auf dem Mega PC lief Sonic – wie auch auf dem VCS 2600 in der Zockerecke. Sonic auf dem VCS? „Zippy the Porcupine“ ist ein von Sonic inspiriertes Jump’n’Run vom „Princess Rescue“-Entwickler, welches wieder einmal beweist, dass VCS-Entwickler bei Portierungen vor keinem Titel zurückschrecken. Zippy war eines der neuen Homebrew-Spiele, die auf der Gaming Expo in Portland verkauft wurden. Außerdem erreichte auch „Wall Jump“ das ejagfest noch rechtzeitig. Homebrew steht gerade auf den VCS-Konsolen für Qualität – zumindest bei den Spielen, die es in den AtariAge Store schaffen. Viele der Spiele wären zu Atari-Zeiten undenkbar gewesen, schon weil Entwicklern nur selten ein 32KB ROM für ihr Spiel zur Verfügung stand.

Weniger aktiv, aber durchaus präsent war die Lynx- und Jaguar-Szene. Björn Spruck zeigte Morphing auf dem Lynx und einen Leveleditor (PC) für Lynx-Lemmings und Matthias Domin „Impulse X“ auf Modul und CD für Jaguar. Weitere Domin-Projekte sind „Mini Doom“ und das Denkspiel „Clicks“, welches leider noch nicht fertiggestellt ist. Ebenfalls noch eine Baustelle und schon auf dem ejagfest 2014 zu sehen war EmuTOS für den Jaguar.

Atari video pinball
Lynx driving trainer
Used games
Tomy Tutor
Epoch Cassette Vision

Rest vom Fest

Wenn es nach Apple geht, sind die alten PowerBooks nur noch als Türstopper zu gebrauchen. Doch mit einem alternativen Betriebssystem bleibt dem PowerBook dieses Schicksal erspart. MorphOS lief auf dem PowerBook, zusammen mit einer Betaversion von Wings Remastered – mit dem Segen von Cinemaware übrigens, die erfreulich großzügig bei der Lizenzierung ihrer Titel für Retro-Plattformen sind.

An keinem System wurde so oft am Display gearbeitet, wie am Nintendo GameBoy, sei es durch Nintendo oder durch Drittanbieter, die durch abenteuerlich wirkende Erweiterungen dem Handheld eine Beleuchtung spendieren wollten. Erst der GameBoy Advance SP bot einen überzeugenden Bildschirm bei gleichzeitiger Abwärtskompatibilität zum klassischen GameBoy. Wer letzteren weiter bevorzugt, lässt ihn modden: DocMorbid bietet Mods und Gehäuselackierungen an.

Wenn sich YouTuber über die vielen Tasten auf einem Jagpad lustig machen, haben sie den Philips G7000 noch nicht gesehen. G7000 ist eine der wenigen Konsolen mit eingebauter Tastatur und war ein Konkurrent des Atari 2600. Philips bot die Konsole sogar mit eingebautem S/W-Bildschirm als G7200 an. Die Tastatur wurde beispielsweise vom Basic-Modul, aber auch diversen Lernspielen verwendet. Der G7000 auf dem ejagfest gehörte Luchs – plant er etwa auch Philips-Spiele?

Ein paar Atari 8-Bit-Computer durften auf dem ejagfest nicht fehlen. „Dimo’s Quest“ und eine frühe Version von „Lost in Space“ waren zu sehen.

Händler

Nick Harlow nahm für das ejagfest erneut die Anreise aus UK in Kauf und bot an seinem Stand ST-, Jaguar-, Lynx- und VCS-Spiele an, sowie diverse andere Produkte. 16/32 Bit Systems hat auch diverse Spiele von Homebrew-Entwicklern und Songbird im Angebot. Sonderpreise gibt es für das ejagfest nicht, aber dafür können die Spiele eben gleich mitgenommen werden.

Ausschließlich auf Veranstaltungen ist mittlerweile der niederländische Atari Shop aktiv, der von einem Atari-begeistertem Ehepaar betrieben wird. Viel Merchandise, Original-Spiele und Homebrew hatten die beiden mitgebracht.

Fast schon ein Heimspiel war es für den Kölner Retro-Laden Retrospiel, der Spiele für verschiedene Systeme verkaufte und auch einige Soundtracks anbot.

Turniere

People playing Lynx

Eine der besonderen Fähigkeiten des Lynx ist die ComLynx-Schnittstelle zur Vernetzung von bis zu acht Konsolen. Das ejagfest ist eine der wenigen Veranstaltungen, auf denen es genug Lynx-Konsolen und -Spieler gibt, um diese auch zu nutzen. Also wurden sechs Konsolen auf den Sitzsäcken platziert, die Sitzsäcke mit Freiwilligen besetzt und los ging es mit der Europameisterschaft in „Checkered Flag“.

Nach einer vorherigen Trainingsrunde mit Johannes Hädrich – er hat in seiner Lynx-Tasche stets die ComLynx-Spiele doppelt – ging es in die Vorrunde und glücklicherweise kollidierten zwei Spieler in der der ersten Runde. Damit konnte ich den Rest des Rennens komfortabel auf dem vierten Platz über die Rennstrecke zuckeln. Hädrich qualifizierte sich mit einem dritten Rang für die nächste Runde, mit dem Sieg hatte er aber nichts zu tun, denn den holte sich Sijmen Schouten, vor ThorN und Carsten. Insgesamt nahmen 24 Fahrer aus Deutschland, England, den Niederlanden und Polen teil. Für Sijmen war es bereits der dritte EM-Titel.

Multiplayer-Spaß gab es auch auf dem GameCube im „Mario Kart Double Dash“-Funcup.

ejagfest 2015 Fazit

Die Organisatoren waren zufrieden, auch wenn sie sich wünschten, dass mehr Besucher länger geblieben und mehr Aussteller an beiden Tagen anwesend wären. Ein Blick auf die Zusammenfassung auf ejagfest.de zeigt warum. Ein paar Stunden reichen nicht aus, um alles zu sehen und sich mit jedem Aussteller zu unterhalten.

Mia Jaap

Journalistin, Entwicklerin und Studentin der japanischen und koreanischen Sprache. Bereist gerne Japan, aber besucht auch gerne bekannte und weniger bekannte Orte in Deutschland.

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